Der heilige Martin

Martinus von Tours, dessen Name sich vom römischen Kriegsgott Mars herleitet, wurde um das Jahr 316 im heutigen Ungarn, Steinamanger, als Sohn eines römischen Offiziers geboren. Schon mit 15 Jahren trat er in die Armee ein, ein unausweichlicher Schritt für den Sohn eines römischen Berufssoldaten.

Die wahre Geschichte der Mantelteilung, die ihn weltberühmt werden ließ, ereignete sich um das Jahr 334 vor den Toren von Amiens, wo der damals 18-Jährige stationiert war. Mitten im Winter begegnete Martin einem bettelarmen, fast unbekleideten Mann. Martin, der nichts außer seinen Waffen und seinem Umhang besaß, teilte diesen prompt. Ein Anruf Gottes, wie er selbst glaubte, denn seit einiger Zeit bereitete sich der junge Soldat auf die christliche Taufe vor.

Martin musste wegen mutwilliger Beschädigung von Militäreigentum drei Tage Haft hinnehmen. In der Nacht nach der Mantelteilung erschien ihm Jesus Christus im Traum, der einen Teil seines Militärmantels trug, mit den Worten: Was Du einem meiner Geringsten getan hast, das hast du mir getan. (vgl. Mt 25,40) Martin erbat später in Amiens die Taufe. Jahre darauf verließ er auf eigenem Wunsch das Militär, um fortan für seinen Glauben einzustehen. Er begab sich als Schüler des Bischof Hilarius nach Poitiers und entschied wohl hier, Priester zu werden. Um das Jahr 360 gründete er in Liguge ein Kloster, das viele Gleichgesinnte anzog.

 

Martin wurde ziemlich schnell Berater und Tröster vieler Menschen. Er lebte das Mönchsideal wie das eines Priesters, Arztes und Nothelfers, von vielen Menschen geachtet und sogar von vielen Politikern geschätzt. Als im Jahr 372 der Bischof von Tours verstarb und das Volk einen neuen Bischof suchte, wollte man den durch sein Auftreten und seinen Gerechtigkeitssinn beliebten Mönch zum Bischof wählen.

Eine schöne Legende erzählt, dass Martin sich, um der Wahl zu entgehen, in einem Gänsestall versteckt habe. Das aufgeregte Geschnatter der Gänse aber hat ihn schließlich beim Volk, das ihn suchte, verraten. Martin ergab sich dem Willen des Volkes und wurde Bischof von Tours. Hier wurde er auch unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 11. November 397 bestattet, nachdem er mit 81 Jahren am 8. des gleichen Monats auf einer seiner zahlreichen Seelsorgsreisen durch das Land verstorben war.

Martin ist der erste Heilige seiner Kirche, der durch den unbedingten Willen des Volkes auf Grund seiner Taten und seines Bekenntnisses als Nichtmärtyrer zur „Ehre der Altäre“ erhoben wurde. Über seinem Grab wurde schnell eine Kirche errichtet, später eine große Kathedrale, in der bis heute die Reliquien des Heiligen sowie der Mantel aufbewahrt werden.

Neben Rom wurde Tours bis ins späte Mittelalter zu einem der größten Wallfahrtsorte auf dem europäischen Festland. Der Frankenkönig Chlodwig erhob Martin zum Nationalheiligen von Frankreich und zum Schutzheiligen der Könige von Frankreich. Das Martinsbrauchtum verbreitete sich bald im ganzen christlichen Abendland.

Bis heute halten die Menschen durch vielerlei Symbole und Rituale das Andenken an den Soldaten und Bischof Martin lebendig. Martinsfeuer in der Nacht um seinen Todestag herum werfen ihr Licht auf die beginnende Adventszeit und weisen hin auf das Licht von Bethlehem, welches den Sterndeutern den Weg zum Kind in der Krippe wies. Die vielen Laternen in den Händen der Menschen zeichnen den Weg des suchenden Volkes nach, die einstmals im Dunkeln der Verlassenheit und des Alleinseins einen neuen Hirten suchen mussten, ihn schließlich im glaubhaften Mann Martin fanden und diesen zu ihrem Bischof ausriefen.

Die Martinsgänse „bezahlen“ bis heute den Verrat ihrer gefiederten Vorfahren mit dem Verlust ihres Lebens zum Beginn der mittelalterlichen Fasten- und Adventszeit, die damals sechs und nicht wie heute vier Wochen betrug. Schließlich aber wird bis heute an den Akt der Mantelteilung gedacht, der Menschen durch alle Schichten zu aktiver Nächstenliebe und Nächstenhilfe anregt. Daher haben auch wir – getreu dem Motto „Helfen durch Teilen“ den Heiligen Martin zum Patron unseres Hilfswerkes auserkoren.